Waldjungfrauen – Prolog

Waldjungfrauen – Prolog

Die Geschichte der Waldjungfrauen beginnt mit einer einfachen Frage: Was ist Realität? Und leitet über zur nächsten Frage: Was ist der Zustand? Um vorerst zu enden mit: Von was?

 

Meine Wahrnehmung bestimmt meine Realität oder umgekehrt: Wenn ich nichts wahrnehmen kann, in welcher Realität lebe ich dann?

 

Doch zur Realität gehört auch Vorstellungsvermögen. Ist alles, was wir wahrnehmen können, aber nicht verstehen, keine Realität?

 

Und zu guter Letzt: Wenn wir etwas nicht wahrnehmen können, existiert es dann nicht? Oder übersteigt es nur unser Vorstellungsvermögen … …

 

Mehr Informationen zu den Waldjungfrauen gibt es in den nächsten Wochen auf meiner Homepage zu lesen.

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Quelle: https://www.e-recht24.de/impressum-generator.html

Über die Person Alfred Mösenburger,
Jacob O. Nailman

nun, über die Person oder auch nur über den Menschen Alfred Mösenburger zu berichten oder zumindest eine Einschätzung abzugeben, fällt auf den ersten Blick nicht schwer, erweist sich jedoch bei tieferer Betrachtung als faktisch unmöglich. Ist er doch jemand, der sich nicht in den Vordergrund drängt. Ja, den es sogar fast peinlich ist, wenn man über ihn spricht. Trotzdem möchte ich es versuchen. Der Anlass unserer ersten Begegnung war banal: In einem Dorfwirtshaus, in das es mich zwecks einer – rückblickend betrachtet leider unergiebigen – Unterhaltung mit einem Freund verschlug, bemerkte ich, zugegebenermaßen erst nach einiger Zeit, dass am Nebentisch ein etwa 50ig-jähriger Mann saß.  Dass er sich mit seinen Tischnachbarn (es handelte sich offenbar um eine Art Stammtisch) unterhielt, was nicht weiter auffällig ist. Doch mit der Zeit stellte ich fest, dass – wenn immer er sich anschickte etwas zu sagen – der Tisch verstummte und fast schon andachtsvoll seinen Ausführungen folgte. Da dies nicht häufig geschah, hatte man nicht den Eindruck, dass die Unterhaltung an diesem Tisch schleppend war. Im Gegenteil: Nach seinen Ausführungen und einer darauf folgenden, jeweils kurzen Pause legten sich seine Tischnachbarn mit fast noch mehr Energie ins Zeug und diskutieren das Gesagte. Es war keine feinsinnige Diskussion, bei der die Wörter vorsichtig abgewogen und die Sätze schichtweise aufgebaut wurden. Nein, die Aussagen waren direkt, manchmal grobschlächtig und von keiner Vorsicht geprägt, ob der gesagten Wörter zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Themen des Gespräch wogten hin und her, ohne Ansatz wurden sie teilweise gewechselt oder nach ein paar Minuten wieder aufgefrischt. Herr Mösenburger machte auf mich und sicher auch auf seine Tischnachbarn den Eindruck, dass er den Diskussionen aufmerksam folgte. Doch hin und wieder sah ich, dass er sich vom gerade Redenden abwand, sein Bier genüßlich trank und offensichtlich mit seinen Gedanken in neuen Feldern unterwegs war. Da das Gespräch mit meinem eigentlichen Gesprächspartner langsam versiegte, wobei der kontinuierliche Biergenuss meines Gesprächspartner hierbei durchaus seinen Beitrag leistete, versuchte ich zielstrebig auf eine günstige Gelegenheit zu warten, mich in dieses wogende Auf und Ab des Gespräches am Nebentisch sozusagen einzuklinken. Es erwies sich als anspruchsvolle Aufgabe, denn einfach in das Gespräch hineinzuprusten, wäre vorsichtig ausgedrückt unpassend gewesen. Das hätte nicht gepasst zu dem Bild, welches ich von mir gerne verbreiten wollte, als Mann des Geistes und des Anstandes. Nachdem sich mein ursprünglicher Gesprächspartner vollständig von unserer Unterhaltung verabschiedet hatte und lieber das Gespräch zum anderen Nebentisch suchte, an dem eine Schar von Frauen im reifen Alter saßen, verlagerte ich auch körperlich immer mehr meinen Schwerpunkt zum Tisch von Herrn Mösenburger. Ich stimmte Gesagten mit deutlich sichtbaren Kopfnicken zu, oder lehnte Positionen durch Kopfschütteln ab, relativ schnell wurde ich zunächst in die gemeinsamen Prostrunden integriert. Und schon wurde ich zu meiner Person kurz ausgefragt: wie ich denn heiße, woher ich denn komme und warum ich denn hier sei. Unwohl war mir zunächst, doch um Antworten war ich nicht verlegen und schon war ich Teil davon. Alfred Mösenburger saß jetzt zwei Plätze neben mir, er nickte mir wohlwollend zu, bevor er leise wuchtige Worte von sich gab, in etwa so: Man solle sich nicht verrückt machen lassen, von all dem Untergangs- und Krankheitsgeschwätz. Lieber das Leben genießen, als gesund zu sterben. So brachte er die Dinge auf den Punkt und erholte sich bei einem kräftigen Schluck Bier von dieser intellektuellen Glanzleistung. Über den weiteren Verlauf des Abends weiß ich kaum noch etwas, zu sehr verdeckte der stark aufkommende Biernebel mein ansonsten gutes Erinnerungsvermögen.

Bald drei Wochen später folgte eine weitere prägende Begegnung, wiederum im besagten Wirtshaus. Aber diesmal nicht am Stammtisch, sondern ich saß an einem normalen Tisch, an dessen Tischbein Alfred Mösenburger sich anrempelte, als er vom Abort auf dem Weg zurück zu seinem Schafkopftisch kam. Dass ich ihm irgendwie bekannt vorkomme, begann er so die Unterredung. Ja, ich sei vor drei Wochen bei ihm mit am Stammtisch gesessen und hätte mit ihm und seinen Freunden ein paar Bier getrunken und die Gespräche hätten mir gut gefallen. Und ob ich ihn mal fragen dürfe, woher er seine Schlagfertigkeit, seinen Witz und gleichzeitig aber auch seinen Tiefgang her habe. Nun, so begann er geschmeichelt seine Rede, dies sei eine lange Geschichte und bestellte bei der Bedienung ein weiteres Bier. Er komme aus der Landwirtschaft, sei der zweite Sohn gewesen. Sein ältester Bruder solle den Hof übernehmen. Der Pfarrer habe schon bald darauf gedrängt, dass er auf die höhere Schule wechseln solle.  Dort sei es ihm ziemlich gut gegangen, immer mit an der Spitze habe er eine große Vorliebe für die Mathematik aber auch für die Musik entwickelt. Nach dem Abitur und dem anschließenden, aus seiner Sicht unerquicklichen Wehrdienst, hätte er begonnen Lehramt zu studieren für Mathematik und Physik. Daneben hätte er ein großes Interesse für klassische Musik entwickelt und die Philosophie entdeckt. Bevor er hier weiter ausholen konnte, musste er die ungeduldigen Nachfragen seine Kartenfreunde parieren, wo er denn bliebe. Der Alfred und der Leo sollten für ihn weiter „aufheben“, grummelte er zurück, er bliebe noch eine  Weile hier am Tisch, was ich dankbar annahm.

Doch dann, wandte er sich mir wieder zu, sei der Hoferbe, der älteste Bruder, bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ohne dass darüber viel in der Familie geredet wurde, war klar, was von ihm erwartet wurde. Aber er habe sich auch selbst in der Verantwortung gesehen, den Hof zu erhalten und weiterzuführen. So kam es, dass er sein Studium abbrach und den Hof übernommen habe. Vor bald 30 Jahren sei dies gewesen, eine Frau hätte er leider nicht. Dies gräme ihn nicht – ganz im Gegensatz zu seinen Eltern, von denen der Vater schon länger verstorben sei.

Was mich wunderte an seiner Rede, war, wie sehr sie mich in den Bann zog. Nichts war gekünstelt, der Satzbau einfach, die Stimme oft monoton. Und doch lieferte ich mich mehr und mehr seinen Gedanken aus. Die Rede traf mein Inneres, setzte es in Bewegung, erzeugte Spannung und Wärme, eine gewisse Wohligkeit stellte sich ein. Keine stumpfe Stimmung, mehr fiebernd. Im Strudel meiner Gedanken wollte ich mehr wissen von ihm, was er denn so denke, wer denn seine Vorbilder seien und was denn seine Ziele wären. Hier mahnte er sich wahrscheinlich selbst zur Vorsicht, nicht zu viel preis zu geben von sich gegenüber mir, den doch so Fremden, und versteckte sich im Unverbindlichen. Ja, Philosophie sei wichtig, aber man solle nicht versuchen, allen Dingen auf den Grund zu gehen und alles zu hinterfragen. Er liebe alle Arten von Musik, in der klassischen Musik sei er Wagner sehr verbunden. Aber letztendlich sei das Leben an sich das Wichtigste. Er sei zufrieden damit, sein Lebensinhalt sei die Land- und gerade auch die Forstwirtschaft. Harte Arbeit oft, doch erfüllend. Er liebe es, den Wandel des Jahres zu leben, sich ihm unterzuordnen. Und wichtig sei auch, im Sein zu verweilen, nicht immer nur mehr werden wollen. Das erzeuge nur Unzufriedenheit. Die Natur bestimme das Denken und zeige dem Verstand seine Grenzen auf. Begreifen – im wahrsten Sinne des Wortes – sei vollkommen ausreichend und man solle sich nicht anmaßen mit seinem Denken die Natur unterordnen zu wollen. Sprachs und stand dann auf, sich dem Kartenspiel wieder hinzugeben.

Und immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, hatte ich die Gelegenheit, Herrn Mösenburger zum kurzen Austausch zu treffen, immer im besagtem Wirtshaus. Das Bild gewann an Konturen und doch blieb Geheimnisvolles an ihm.

Wie kann man ihn nun charakterisieren? Verdient er eine philosophische Einordnung? Er, Alfred Mösenbürger, der sicherlich sein Denken nicht in die Schablonen eines Buches oder eines Word-Dokuments gepresst hat oder zukünftig pressen wird. Was solls, ich möchte es versuchen, liegt doch selbst von einem der größten Philosophen der Menschheitsgeschichte zumindest kein schriftliches Zeugnis vor, und doch prägt er die Philosophie bis heute. Mit der Reduktion auf einen bestimmten Philosophen wird man Herrn Mösenburger nicht gerecht. Seine Betrachtungen über das Sein erinnern an Heidegger, mit seiner Vernunftkritik hält er lose Kontakt zu Kant, aber mit seinem negierenden Existenzialismus ist er Nitsche auch nicht fern. Nur ernst genommen werden möchte er auch nicht immer, greift er doch öfters Unsinnsthesen auf, pointiert sie und endet manchmal im derben Witz. Hier scheint mir eine gewisse Nähe zur Neuen Frankfurter Schule vorzuliegen. Und genau dieser Verdacht nahm Gestalt an in der Person von Eckhard Henscheid – einem der Gründer der besagten Schule, den ich anlässlich eines erneuten Wirthausbesuches im trauten Gespräch mit Herrn Mösenburger erwischte. Wie das? Ungläubig tastete ich mich an die miteinander Tuschelnden heran, auf die erste Gelegenheit wartend, meiner Neugier Antwort zu verschaffen. Sie fiel verschmitzt aus. Ja, man kenne sich und schätze sich durchaus. Und ein gemeinsam getrunkenes Bier sei erquicklicher als ein einsames. So ihre Rede. Mit ungestilltem Verlangen ließ ich sie allein, überzeugt davon, die Geburtswehen einer neuen philosophischen Schule, der GNFS – sprich der Ganz Neuen Frankfurter Schule – beigewohnt zu haben. Jetzt ist es gut so.